Mein letzter Artikel hat – wenig überraschend – einigen Widerspruch ausgelöst, der auf mehreren Plattformen diskutiert wurde. Auf einer Plattform platze mir der Kragen, nach der wiederholten Behauptung, es handele sich dabei um eine Form von Zensur.
Das war meine Antwort:
Wenn wir von Zensur reden, dann geht es nicht nur um einen staatlichen Eingriff in Kunstfreiheit, sondern es geht, wenn wir die korrekte, juristisch-gesetzgeberische Definition von Zensur anlegen, sogar nur um eine bestimmte Form der Zensur, nämlich die Vorzensur. Also die Form der Zensur, bei der man Artikel, Bücher, Filme etc. einem Zensor vorlegen muss und darf sie nicht veröffentlichen, solange bestimmte Veränderungen nicht vorgenommen werden. Das ist Zensur.
Jetzt dazu, was keine Zensur ist:
Es ist keine Zensur, wenn ich sage, Autoren sollten die Verwendung von Stereotypen reflektieren und nach Möglichkeit darauf verzichten. Du kannst Dich entscheiden, das in den Wind zu schlagen und es trotzdem so machen. Es ist keine Zensur, wenn ich sage, dass nur faule, phantasielose Autoren es nötig haben, solche Stereotype anzuwenden. Du kannst dir denken, die Tusse spinnt und es trotzdem so machen.
Es ist auch keine Zensur, wenn ein von schädlichen Stereotypen triefendes Werk erscheint, das dann öffentlich thematisiert wird und sich Widerstand dagegen formt. Es ist keine Zensur, wenn die problematischen Inhalte öffentlich diskutiert werden, und Menschen beispielsweise davon absehen das Buch zu kaufen, weil – äh – ne, so unangenehmes Zeug will man vielleicht doch nicht unbedingt lesen.
Es ist immer noch keine Zensur, wenn sich Leute zusammenschließen und eine Kampagne unternehmen, um Buchhandlungen davon zu überzeugen, das Werk nicht zu führen oder die Institutionen, die Literaturpreise vergeben, dazu zu bringen, das Buch nicht zu berücksichtigen.
Nichts davon ist Zensur, sondern das ist das Ausüben des Grundrechts von Meinungsfreiheit, bzw. Geschäftsfreiheit.
Du kannst Dein Buch publizieren, auch wenn es von Seite 1 bis zum hinteren Buchdeckel vollgestopft ist mit einem schädlichen Klischee nach dem anderen.
Aber du hast keinen Anspruch darauf, deswegen gemocht zu werden, das man dein Buch deswegen oder trotzdem kauft oder dass du noch mit Preisen überschüttet wirst.
Du kannst dein Buch publizieren. Ohne Vorzensur. Mehr nicht.
Was die „Zensur“-Rufe in einem solchen Fall wie dem aktuellen eigentlich wirklich meinen, ist etwas ganz anderes. Nämlich eigentlich treffen die Zensur-Behaupter damit eine dreiteilige Aussage:
- Ich möchte meine Vorurteile behalten.
- Ich möchte mich nicht dazu genötigt fühlen, mich mit etwas zu beschäftigen, zu dem ich doch bereits glaube alles zu wissen was ich wissen muss.
- Ich möchte nicht in Gefahr laufen, dafür Konsequenzen spüren zu müssen.
Deswegen sind die „Zensur“-Behauptungen vor allem eines: Ein Totschlagargument um die Leute, die über Probleme mit bestimmten Trope und Stereotypen zu berichten, zum Schweigen zu bringen und auch allen anderen zu signalisieren, dass man ihnen bitte nicht zuhören soll, weil das sind nur böse Zensoren.
Es ist ein Versuch uns die Stimme zu nehmen, und zu vermeiden die Probleme zur Kenntnis zu nehmen, die faule Autoren und die ständige Kopie herkömmlicher Narrative, für unser reales Leben, unser Wohlbefinden, die Lebensqualität, ja sogar bis hin zu unserem Sterberisiko bedeuten.
Die mediale Darstellung von Behinderung ist ein riesiges Problem. Das geht nicht weg, nur weil Autoren sich an ihre liebgewonnenen Vorurteile klammern wollen. Und wir können und müssen heute auch nicht mehr die Klappe halten.
Deal with it.