Der erste Tag des diesjährigen Literaturcamps in Heidelberg war gleich schon ziemlich cool. Er begann wie immer mit der Vorstellungsrunde und der Sessionplanung.
“Ich habe euch Syphilis mitgebracht und wir machen eine Session zu Verhütung im Roman …“ es geht ans Eingemachte. #litcamp18 (Bild folgt)
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 16, 2018
Es waren enorm viele Neulinge da und ganz anders als erwartet, gab es dadurch keinen zögerlichen Mangel an guten Sessionangeboten, sondern die Schlange der Willigen wickelte sich quasi einmal um den Block.
Wichtige Themen lagen auch direkt parallel zu meiner eigenen Session im ersten Slot.
Schöne Ergänzung zu meiner “Schreiben über Behinderte“, die ich morgen anbieten will. Wichtig. Geht dort hin! #psychischekrankheiten #LITCAMP18 pic.twitter.com/RZ3vmwnqJW
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 16, 2018
Während @blueS1ren vermutlich gründlich mit Klischees über psychische Krankheiten aufgeräumt hat (ich hoffe, der Stream wurde aufgezeichnet) stellte ich den Teilnehmern meine Tools und Strategien zum Schreiben unterwegs vor.
Ingeborg aka @eBookerei hat meine Session in eine coole Sketchnote verwandelt:
Tolle Tipps und Tools zum schreiben unterwegs mit @Felicea #litcamp18 pic.twitter.com/ZqPMvJ6R8X
— Ingeborg Helzle (@eBookerei) June 16, 2018
Im Nachhinein habe ich im Gespräch mit zwei Teilnehmerinnen bemerkt, dass ich auf einen wichtigen Punkt gar nicht eingegangen bin, nämlich wo ich schreibe und wie ich die Orte verwalte, die sich zum Schreiben eignen um mich nicht jedes Mal zu lange mit der Überlegung aufzuhalten, wohin ich gehen will.
Dafür habe ich mal ein Blog geführt (derzeit offline) in dem die Mehrheit der darin aufgeführten Schreiborte inzwischen geschlossen ist. Aktuell arbeite ich mit Listen in Google Maps.
Anschließend gab es erst einmal Mittagessen – Kartoffelsalat und Maultaschen – und eine Stipvisite von Syphilis.
Hallo Syphilis. Du Hübsche. https://t.co/F1LIyZbnLa#LITCAMP18 // @jensscholz pic.twitter.com/eVBvoqJeMG
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 16, 2018
Im Slot ab 14 habe ich mich nach kurzem Schwanken für Speedplotting entschieden und wurde nicht enttäuscht. Mascha ließ die Gruppe in 30 Minuten einen groben Plot nach dem 7-Punkte-System von Dan Wells entwickeln. Welche Story sich entwickelte … sehr selbst:
Plotten in 30 Minuten. #LITCAMP18 pic.twitter.com/xgjoC6p20x
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 16, 2018
1. Figur ausdenken (Frau, 110 Jahre, Auftragskillerin, lebt im Altersheim)
2. Was hat sie für ein Problem: Ihr 50 jähriger Toyboy wurde ermordet.Gemeinsames Plotten im #litcamp18
Workshop #plotin30minutem— Alana Falk (@AlanaLeona) June 16, 2018
3. Ziel: Den Mörder finden
4. Sprung zum Ende: hat sie Erfolg oder nicht? => Nein!
5. Hindernis: Medikamente
6. Was tut sie gegen das Hindernis: verfüttert Medis an nervige Zimmernachbarin
Gemeinsames Plotten im #litcamp18 Workshop #plotin30minutem— Alana Falk (@AlanaLeona) June 16, 2018
7. Verschlimmerung: Sie schafft es nicht, die Medis loszuwerden, wodurch sich die Mördersuche schwierig gestaltet
Aber ihr Pfleger hilft ihr und sie kommt aus der hilflosen Situation raus.
8. Midpoint: Jetzt kann sie aktiv werden und den Mörder finden#litcamp18 #plotin30minuten— Alana Falk (@AlanaLeona) June 16, 2018
9. Tiefpunkt:
Ihr Pfleger hat sie die ganze Zeit reingelegt und will sie ermorden. Hat evtl. auch den Toyboy ermordet.
10. Sie befreit sich durch Networking über ihre geheime Facebookgruppe "United retired Killers" und lässt die Killerin in sich raus.#litcamp18 #plotin30minuten— Alana Falk (@AlanaLeona) June 16, 2018
Tipp: Der Held des Romans sollte seine Probleme immer selbst lösen. #litcamp18 #plotin30minuten
— Alana Falk (@AlanaLeona) June 16, 2018
Sie lockt den Pfleger, der sie eigentlich liebt und alles aus Eifersucht getan hat (wenn ich dich nicht haben kann, dann wenigstens deine Waffen) in ihr Zimmer und erschießt ihn. #litcamp18 #plotin30Minutem
— Alana Falk (@AlanaLeona) June 16, 2018
Sie hatte also doch Erfolg, wird aber aufgrund ihrer Handlungen weggesperrt (Psychiatrie oder Alte Leute Gefängnis) #litcamp18 #plotin30minuten
— Alana Falk (@AlanaLeona) June 16, 2018
Sie hatte also doch Erfolg, wird aber aufgrund ihrer Handlungen weggesperrt (Psychiatrie oder Alte Leute Gefängnis) #litcamp18 #plotin30minuten
— Alana Falk (@AlanaLeona) June 16, 2018
Und dann kommt raus: Der Pfleger war es gar nicht und ihr kommt die Ahnung, dass sie den Toyboy selbst umgebracht, es aber aufgrund von Demenz vergessen hat. Ende. Tür der Psychiatrie schließt sich. #litcamp18 #plotin30minuten#geilsterplotever
— Alana Falk (@AlanaLeona) June 16, 2018
Der Plot fand Anklang. 😉
https://twitter.com/DominikBohlmann/status/1007959744320098305
https://twitter.com/jay_the_kay/status/1007965439429959680
Die darauf folgende Session zur Hörbuchproduktion, der Arbeitsweise und den Rahmenbedingungen, war zwar sehr interessant, aber meine Aufmerksamkeit war an der Stelle auch erschöpft und ich habe mich an den Kaffeepot zurückgezogen.
Ich schlaf gleich ein. Am besten krieche ich schon mal in Richtung Kaffee. #LITCAMP18
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 16, 2018
Nach Kaffee und übel leckerer veganer Zitronencreme ging es in die Session die die Realität des Internatslebens mit der Fiktion ala Hanni und Nanni verglich. Als jemand, der Hanni und Nanni ebenso wie Tina und Tini und jede andere Internatsgeschichte verschlungen hat, musste ich einfach wissen, wie es wirklich aussieht. Joy und Lena, die beide unterschiedliche Internate zu unterschiedlichen Zeiten (90er Jahre und 2000/2010er Jahre) besucht haben, berichteten über viele spannende Aspekte des Internatslebens, aber eine Teilnehmerin fasste es doch recht treffend zusammen: Das klingt schon alles sehr nach Hanni und Nanni.
Die letzte Session des Tages war für mich die Spieltheorie in der Literatur von Marco:
Protagonisten und Antagonisten treffen unvermittelt und widerstrebend aufeinander. Die bestehenden Regeln arbeiten im Allgemeinen für den Antagonisten. #LITCAMP18 #Spieltheorie
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 16, 2018
Jetzt Spieltheorie mit @marcomanders_da, der sicher wieder das Haus rockt. #LITCAMP18 pic.twitter.com/N6SeQhxame
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 16, 2018
Ich fand es an dieser Stelle sehr spannend, zu reflektieren, dass es nicht etwa die Antagonisten sind, die die Regeln brechen, sondern diese bereits im bestehenden System etabliert sind und dieses System für sie arbeitet. Erst durch den Protagonisten wird dieser Umstand aufgebrochen, in dem er dem Antagonisten in die Suppe spuckt.
Auch im Stream, afaik. #LITCAMP18 https://t.co/aHWUjj2cCv
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 16, 2018
Der Protagonist kann meistens nicht gewinnen, wenn er sich an die Regeln hält. Er muss sie brechen um sein Ziel zu erreichen. Dadurch haben sie plötzlich die Initiative. #LITCAMP18 #Spieltheorie
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 16, 2018
Gebrochene Regeln: Star Wars: Luke wird zum Terroristen. Herr der Ringe: ein Hobbit geht auf Abenteuer. #LITCAMP18 #spieltheorie
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 16, 2018
Wenn man in einer Situation nicht weiterkommt schaut man sich an, wessen Bedürfnisse wurden bisher verletzt. Den kann ich nun einsetzen um die Sache zu lösen. So kann man auch Nebenplots aufzubauen. #Spieltheorie #LITCAMP18
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 16, 2018
Welche Regeln in dieser Szene nehme ich an, welche könnten anders als in unserer Welt sein. Welche Konsequenzen hat eine Änderung der Regeln? #Spieltheorie #LITCAMP18
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 16, 2018
Welche Regeln sind für die Charaktere ’normal‘, unterscheiden sich aber möglicherweise von unserer Realität. Welche Regeln kann man ändern (im Vergleich mit den Regeln unserer Lebensrealität) oder neu schaffen und wie ändert sich dadurch die Situation in der die Charaktere stecken. Wie sieht die Norm der Welt aus.
Regeln die wichtig werden sollte man mindestens dreimal erwähnen/zeigen, bevor sie wichtig werden. Erwähnt man sie nur einmal dienen sie als Hintergrundfluff. #Spieltheorie #LITCAMP18
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 16, 2018
Man sollte sie bevor sie den Protagonisten betreffen einer anderen Figur geschehen lassen. #LITCAMP18 #Spieltheorie
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 16, 2018
In einer Art und Weise, die nicht plotrelevant ist.
Selbst Kriminelle erwarten, dass Regeln eingehalten werden. Auch Kriminelle brechen möglichst wenig Regeln. Wie haben nur punktuelle Regelbrüche, auch in der Literatur. #LITCAMP18 #Spieltheorie
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 16, 2018
Am Anfang muss der Protagonist die Regeln brechen, sonst habt ihr keine Story. Und danach geht für den Protagonisten alles schief.
Am Ende bricht der Protagonist wieder die Regeln, und verändert dadurch erneut alles. #Spieltheorie #LITCAMP18— Mela Eckenfels (@Felicea) June 16, 2018
Wenn jemand die Regeln bricht, ist da auch Verzweiflung mir dabei. Das sagt uns etwas über die Situation in der der Protagonist oder der Antagonist steckt.#LITCAMP18 #Spieltheorie
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 16, 2018
Spieltheorie zum Plotten von @marcomanders_da #litcamp18 pic.twitter.com/G6S0TSPEkX
— Ingeborg Helzle (@eBookerei) June 16, 2018
Anschließend entspann sich eine Diskussion, ob sich dieses Tool zum Plotten wirklich gut nur in Genrefiction wie Fantasy oder Science Fiction mit einer reichen Hintergrundwelt einsetzen lässt und es nicht eher Jugendliteratur, die sich auf den zentralen Plot konzentriert, nicht ins Unsinnige aufbläht. (Ich persönlich denke: Jain).
Ansonsten war das Angebot der Themen sehr divers und man konnte in jedem Slot mindestens drei spannende Sessions verpassen. Mindestens.
"In YA & NA Romanen wird selten verhütet, auch in den großen Publikumsverlagen. Wir haben Textstellen mitgebracht. Ist es ok, wenn wir jetzt sehr explizite Textstellen vorlesen?"
Auf der #litcamp18 Session vom @tee_kesselchen wird Tacheles geredet. #litcampUndSex— Saskia (@cravingstories) June 16, 2018
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