Jetzt aktiv werden – VG Wort in die Schranken weisen

The headquarters of the North Carolina Equal Suffrage Association, Raleigh, NC, c.1910's. From the General Negative Collection, State Archives of North Carolina, Raleigh, NC.

Wie bei vielen meiner Kollegen, ist die jährliche VG Wort-Ausschüttung auch bei mir eine wichtige Einnahmequelle. Der Haupt-Anteil stammte bei mir bislang aus dem Bereich „Wissenschaft“ und diese Einnahmen brachen dieses Jahr deutlich ein. Ich hatte im vergangenen Jahr eigentlich sogar mehr in diesem Bereich veröffentlicht, als in den Vorjahren. Dennoch lag die Ausschüttung gut 2/3 unter der Vorjahressumme.

Kein Wunder. Die VG Wort hat vollkommen intransparent die Ausschüttungen im Bereich Wissenschaft massiv gekürzt. Warum? Die Antwort bleibt die VG Wort, wie so viele andere Antworten auch, schuldig.

Persönlich hege ich allerdings schon etwas die Vermutung, dass es etwas mit der Klage zu tun hat, bei der Autor Dr. Martin Vogel gegen die Praxis der VG Wort klagt, pauschal die Hälfte der Ausschüttung den Verwertern zu überreichen. Diese Klage betrifft nur den Bereich *whoopsie* Wissenschaft, hätte – sofern sie letztinstanzlich gewonnen wird – aber Auswirkungen auf alle Ausschüttungen der VG Wort.

Nun ist die VG Wort an den Urhebern verpflichtet. Anstatt sich aber voll und ganz auf die Seite der Urheber zu stellen, nimmt die VG Wort das Geld der Urheber und klagt gegen diese, damit die Ausschüttungspraxis – Hälfte für die Verwerter – beibehalten werden kann. Weil, die Urheber haben ja was davon wenn die Verwerter verwerten.

In Zeiten, in denen schon fast unsittliche Buy-Out-Verträge die Regel sind und die technischen Möglichkeiten, an sich, eine bislang unbekannte Selbstermächtigung der Urheber möglich machen, hat das ein besonderes Geschmäckle.

Dazu muß man wissen, dass die Groß-Gewerkschaft ver.di (und mit ihr die angeschlossenen Verbände dju (für Journalisten) und der VS – Verband deutscher Schriftsteller) ebenfalls ihre Finger in der VG Wort drinnen hat.

Ebenso wie die VG Wort umarmt ver.di die Möglichkeiten des Internets nicht, sondern legt hier lieber die Handbremse ein. Auf einmal scheint ver.di nicht nur für Autoren und Journalisten zu sprechen, sondern immer wieder erscheint das Gekuschel mit den Verlagen doch etwas zu intim.

So war ver.di von Anfang an auf der Seite Pro-Leistungsschutzrecht zu finden. Obwohl das Leistungsschutzrecht auch und gerade für frei im Internet arbeitende Journalisten nur Nachteile, aber keine Vorteile bietet.

Ein Schelm wer glaubt, dass ver.di sich um die eigene Daseinsberechtigung sorgt, wenn klassische Arbeitgeber weg brechen, gegen die man dann heroisch mit muffigen Methoden Arbeitskampf führen kann. Also lieber schon mal gegen die eigene Bedeutungslosigkeit vorgehen und dafür sorgen, dass auch in Zukunft die Fronten geklärt bleiben. Arbeitgeber/Verwerter auf der einen Seite und auf der anderen Seite Journalisten und Autoren, die von der Gunst der Verleger und Verlage abhängig sind.

Alles Schlechte kommt somit von Amazon und Google und keineswegs von den Branchenbereichen, die mit Buy-Out-Verträgen und lachhaften Honoraren das ver.di-Klientel am ausgestreckten Arm verhungern lässt.

Ver.di und mit ihr die VG Wort arbeitet pro Besitzstandswahrung und contra Veränderung. Gerade mit dem Leistungsschutzrecht wurde neuen Geschäftsmodellen im deutschen Internet, neuen Aggregatoren oder auch nationalen Suchmaschinen in vorauseilendem Gehorsam die Luft abgedreht.

Und weil es nun ganz danach aussieht, als würde die VG Wort den Rechtsstreit auch noch vor dem Bundesgerichtshof verlieren, soll es nun Lobbyarbeit richten. Erneut wendet sich die VG Wort ganz offen gegen die Urheber, wenn sie nun statt einer rechtlichen Lösung die Politik bittet, die widerrechtliche Verteilungspraxis doch bitte politisch abzusegnen.

Und zusätzlich möchte die VG Wort diesen November von ihren Mitgliedern absegnen lassen, das umstrittene Leistungsschutzrecht  – für die Verwerter – eintreiben zu dürfen. Noch ein Schritt mehr weg von der Verantwortung für die Urheber, hin zu der Verwerter-Handlanger-Organisation.

Daher kann ich alle meine Kollegen und ganz besonders alle Selbstverleger, freie Journalisten und alle die Presseerzeugnisse im Internet anbieten, nur zur Aktion aufrufen.

  1. Achtet auf eure Post und den E-Mail-Eingang. Meldet euch, sobald die Einladung zur ausserordentlichen Mitgliederversammlung der VG Wort eintrifft, dafür an.
    1. Nehmt euer Stimmrecht wahr!
  2. Wenn ihr keine Zeit habt oder Kollegen kennt, die keine Zeit haben, lasst euch eine Vollmacht geben, bzw. gebt Kollegen eine Vollmacht, euch in der Versammlung zu vertreten.
  3. Stimmt auf der ausserordentlichen Mitgliederversammlung gegen die Wahrnehmung des Leistungsschutzrechts durch die VG Wort.
  4. Stellt der VG Wort bis zum 31. Dezember einen Mahnbescheid zu, in dem ihr den euch entgangenen Ausschüttungsanteil einfordert.
  5. Überlegt euch, ob Organisationen wie ver.di, dju und der VS wirklich noch eure Interessen vertreten. Ich beispielsweise, bin vergangene Woche endlich den Freischreibern beigetreten.

 

Persönlich glaube ich nicht mehr daran, dass Organisationen wie ver.di, dju, VS oder VG Wort wirklich noch meine Interessen vertreten. Es sind Relikte aus dem vergangenen (teils vorletzten) Jahrhundert. Sie sind nicht reformfähig und die Verflechtungen mit Politik und der klassischen Wirtschaft sind unüberschaubar. Man kennt sich, mag sich und wird gerne zum Schnittchenessen eingeladen. Der Kampf für die Rechte der Mitglieder wird mehr pro forma geführt und alles ist in Butter, solange die alten Machtstrukturen nicht aufgebrochen wird. Disruptiven Tendenzen misstrauen diese Verbände zutiefst und bekämpfen sie lieber von Tag Null an, anstatt die Möglichkeiten für die eigentlich vertretene Klientel auszuloten.

 

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Mela Eckenfels schreibt seit 1997 das Internet voll, Sach- und Fachtexte für Geld und Spaß und Fantasy, Science Fiction sowie historische Literatur aus Passion. Nebenbei studierte sie Geschichte und Creative Writing an der Open University und hat das Studium 2017 mit einem Titel abgeschlossen, für dessen Aussprechen sie immer erst mal Luft holen muss: BA (hons) Humanities with Creative Writing and History (Open).

mela.de/

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